Ein Grundsatzkommentar zu dem Projekt der Re-Vitalisierung des Schulgartens der Nehring-Grundschule und seiner Einordnung

Von Conrad Bölicke

Hier klicken für Aktuelles zum Schulgarten: Zwei Tage körperlicher Arbeitseinsatz und erster Honig!

 

Erstmals Gegenstimmen

Der Vorschlag des Vorstandes auf der letzten Generalversammlung für das Schulgartenprojekt die sehr stark gestiegenen Materialkosten für den wetterfesten Unterstand mit Mitteln aus dem Klima- und Generationen-Zukunftsfonds abzufedern, fand zwar eine große Mehrheit, erstmals gab es aber auch Gegenstimmen. Für zwei Mitglieder führte die Antragsannahme zur Begründung für ihren Austritt aus der Genossenschaft. In ihrer Argumentation sollten Mittel aus dem Fonds nur für das Themenfeld Olivenöl vergeben werden.

 

arteFakt war immer mehr als nur „Olivenöl“

Von Anbeginn der Gründung habe ich arteFakt nicht nur als Entwickler und Förderer guter und authentischer Olivenöle und ihrer Oliviers verstanden. Auch in zahlreiche zivilgesellschaftliche Projekte, insbesondere für Kinder und Jugendliche, haben wir uns mit eingebracht oder sie auch initiiert, sowohl im Lebensbereich unserer Partner-Oliviers als auch in unserem hier in Deutschland. Die Anregungen der Projekte kamen oft aus dem Kreis der Olivenölfreunde und heute auch von Mitgliedern der Genossenschaft.

Neben der solidarischen Erzeuger-Verbraucher-Gemeinschaft für die Sache des Olivenöls war und ist unser zivilgesellschaftliches Engagement wichtiger Bestandteil. Einen Olivenbaum pflanzt man nicht für sich, sondern zum Nutzen der nachfolgenden Generation, so nennen das seither die Oliviers.

Das Schulgartenprojekt war dabei eher einem Zufall geschuldet, dieser ist hier nachzulesen.

 

Selbstorganisationsfähigkeit einer Zivilgesellschaft

Es war von Anbeginn meine unternehmerische Haltung, erwirtschaftete Gewinne nicht an mich privat auszuschütten, sondern sie zu teilen. So habe ich das als alleiniger geschäftsführender Gesellschafter in der Zeit von arteFakt als GmbH gehalten, und so ist es mit dem Übergang in die Genossenschaft in der Satzung fortgeschrieben. Gewinne habe ich immer als von allen Beteiligten gemeinsam erwirtschaftet angesehen und sie daher nicht nur in die Unternehmung re-investiert, sondern gern auch in die Gemeinschaft pro-investiert. Für mich war und ist das mehr als nur Idealismus. Die Stärke und Resilienz einer sich freiheitlich und demokratisch orientierenden Gesellschaft sehe ich nicht nur in ihrer politischen und juristischen Verfasstheit, sondern besonders auch in ihrer zivilgesellschaftlichen Fähigkeit, sich selbst zu organisieren. In einer Zeit, in der sich vieles wird ändern müssen, um unsere eine Welt, die wir nur haben, in Balance zu halten, wird das essentiell sein.

Mit der Herausbildung eines neuen und eigenen Marktes in der Erzeuger-Verbrauchergemeinschaft für eine andere Art von „Nativem Olivenöl Extra“ und gegen die zerstörerischen Auswirkungen des jahrzehntelangen und noch anhaltenden Betruges, haben wir etwas von dieser möglichen Stärke aufzeigen können. Nicht in jedem Land wäre das „erlaubt“ gewesen und geschafft haben wir das nicht nur mit der besonderen Qualität unserer Olivenöle. Wesentlich war es die Aufbruchstimmung der achtziger und neunziger Jahre des zurückliegenden Jahrhunderts die Dinge des Lebens nicht nur anders, sondern auch selber machen zu wollen. Und von Anbeginn ging es mit der Gründung von arteFakt daher auch um das Erreichen ökonomischer Eigenständigkeit zur Finanzierung formulierter Utopien. Günter Faltin, Berliner Professor für Ökonomie und Entrepreneurship, benannte die eigene Unternehmung der Teekampagne anfangs als „Projektwerkstatt für kreative Ökonomie“, die er nicht als Umgehung von Besteuerungen erzielter Gewinne verstand. Vielmehr sah er ein Defizit bei Gründern und Gründerinnen, die sich lange und gründlich mit ihren Produkt- und kreativen Unternehmensideen beschäftigten, nicht aber ebenso mit einer dazu passenden neuen Idee der Ökonomie. Das hatte ich aus meiner Tätigkeit als Geschäftsführer der Teekampagne mitgenommen und arteFakt daher auch ökonomisch als gesellschaftliches Gemeinschaftsprojekt zu entwickeln versucht. Die ökonomische Grundlage von arteFakt besteht daher nicht nur aus dem Verkauf von Olivenöl, sondern auch aus solidar-ökonomischen Modulen gemeinschaftlichen Handelns und der Mitnutzung unserer betrieblichen Infrastruktur dafür. Die Auskünfte 2023 bilden das recht ausführlich ab. Damit finanzieren wir diese Projekte nicht über die Preise, der von uns angebotenen Produkte, sondern haben parallel dazu eine Art Sozialökonomie geschaffen. Lange schon zählt z.B. der Ein-Euro-Museumstaler dazu, die Patenschaftsübernahme der Olivenbäume und noch neu das3 in 1–Konzept“ für Projekte, aktuell mit dem Angebot von schwarzem Reis.

Frei nach Josep Beuys, dem ich einen weiteren Gründungsimpuls verdanke, kann eine Unternehmung auch eine „Soziale Skulptur“  sein, die dann gesellschaftlich mehr abbildet, als nur den Verkauf von Waren zu organisieren.

 

… und was ist Reichtum?

Auch bei John Ruskin, englischer Schriftsteller, Ökonom, Künstler und Sozialutopist (1819-1900), schöpfte ich bei der Gründung, kulminiert in seiner Formulierung: „Ein gutes Produkt ist nicht dann ein gutes, wenn es sich nur leicht verkaufen lässt. Ein gutes Produkt soll das Leben bereichern und verschönern, daher darf sich alles Wirken nicht nur auf den Verkauf des Produktes richten, sondern muss weit darüber hinaus bis ins Leben reichen – denn nur Leben ist Reichtum“. Seit fünfundzwanzig Jahren machen wir uns das zu eigen und investieren daher auch in zivilgesellschaftliche und kulturelle Handlungsfelder, über das Olivenöl hinaus. Im Schwerpunkt sind es Projekte, hier bei uns und in den Ländern und Regionen unserer Partner-Oliviers, für Kinder und Jugendliche zum Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen, in denen durch praktische Teilhabe ihre Fähigkeit zur Selbstermächtigung gefördert wird.

 

Kann es einen Schulgarten nur geben, wenn er staatlich finanziert wird?

In meiner Kindheit, in den 1950iger Jahren, war das so. Welche Schule hat heute aber noch einen Schulgarten, Mittel zu seiner Unterhaltung und Personal ihn zu betreuen? Und wäre er angesichts der Klima- und Ernährungsproblematik, denen die nächsten Generationen nicht mehr wird ausweichen können, wieder sehr wertvoll? Die Aussicht auf staatliche Hilfen zu ihrer Einrichtung sind gering und warum entdeckt die Elternschaft an der Nehring-Grundschule ihre Fähigkeit zur Selbstorganisation dafür nicht? Vielleicht weil wir uns in den langen Jahren der Wohlstandsentwicklung so daran gewöhnt haben, viele Dinge nicht mehr selbst zu organisieren, sondern sie vom Staat zu bekommen und jetzt auch zu fordern, statt selbst tätig zu werden, es also schlicht verlernt haben? Eigentlich ist es doch ein trauriges Bild, wenn man die Freude der Kinder in dem Schulgarten sieht, dass es bisher nicht gelungen ist, die Eltern der Kinder für eine Mithilfe bei dessen Revitalisierung zu gewinnen. Z.B. mit unserem Modell des Ein-Euro-Museumstalers, mit dem wir seit Jahren unsere Landschaftsmuseen mitfinanzieren. Ein Euro wäre für Jeden möglich und es ist immer wertvoller von 1.000 Menschen nur einen Euro zu erhalten als 1.000 Euro von nur einem. Vielleicht werden es jetzt die Kinder sein, die mit ihrem Lehrer und unserer Unterstützung ihren Eltern den Wert der Selbstorganisationsfähigkeit aufzeigen. Frank Schmidt fehlten 1.500 Euro Eigenmittel, um sich an einem Bienenförderprogramm für Berliner Schulen beteiligen zu können. Bei einem Jahreshaushalt von nur 300 Euro für den Schulgarten war das nicht zu schaffen. Wir halfen aus und mit den zwei Bienenvölkern, die jetzt im Schulgarten leben, verlieren die Kinder nicht nur ihre Angst vor Bienen, sondern lernen auch wichtige Zusammenhänge der Natur. Und mit dem Verkauf der ersten 20 Kilogramm geerntetem Honig beginnen sie sich ihre Haushaltsmittel selbst zu erwirtschaften.

Für Veränderungen, die allen auch etwas abfordern, braucht es oft zunächst enthusiastische und engagierte Persönlichkeiten, die bereit sind, gegen Beharrungskräfte auch allein zu beginnen. Auch wir haben in den zurückliegenden 25 Jahren solche Hilfen erfahren. Gern unterstützen wir daher Menschen, die sich auf den Weg machen über notwendige Veränderungen nicht nur zu reden, sondern sie auch anzupacken suchen.

Wir haben nur diese eine Welt und erleben gerade wie fragil sie geworden ist. Um für all die großen und komplexen Herausforderungen zukunftsfähige Lösungsansätze zu finden, bedarf es nicht nur der Politik, sondern vielmehr einer unternehmerisch befähigten und solidarisch gefestigten Zivilgesellschaft. In dem in Kürze erscheinenden Bericht des Weiterbildungstreffens mit unseren Oliviers und Fachexperten in Andalusien wird das wegen der Klimasituation ein wichtiges Thema sein.

Auch hier haben wir, wie im Gesellschaftlichen und Politischen, keinen Einfluss auf das Weltklima, können aber beginnen, das Mikroklima mit der Rückführung unseres Handelns im Einklang mit der Natur zu beeinflussen. Zusammen können wir „Leuchtturmprojekte“ daraus entwickeln und Nachbarn, die jetzt noch skeptisch sind, zum Mitmachen anregen und damit dann Einfluss auf regionale Klimata erlangen. Es wird ein langer Weg voller Schwierigkeiten und vieler Experimente werden, diese unsere eine und einzige Welt, die wir in einen labilen Zustand haben kommen lassen, in Balance zu halten. Das wird nur gemeinsam gehen, weshalb ich die GmbH in die Genossenschaft überführt und darin manches in der Präambel und der Satzung festgeschrieben habe, was arteFakt in den letzten 25 Jahren geprägt und ausgemacht hat. U.a. zählt die Gewinnverteilung dazu, die zur Bildung des „Klima- und Generationen-Zukunftsfonds“ geführt hat. 30% der Gewinne der Genossenschaft müssen laut Satzung an den Fonds abgeführt werden und über deren Verwendung entscheidet die Generalversammlung der Mitglieder. Die Intention des Fonds ist es, die nachfolgenden Generationen zu ermutigen und dabei zu unterstützen, sich ihren Zukunftsfragen auf praktische Weise mit Vorhaben und Experimenten zu stellen. Mit dem bisherigen ganzheitlichen Ansatz von arteFakt, lässt sich das nicht immer nur eng auf Olivenöl beschränken.

Eine Entwicklung bei der arteFakt sich nur auf das Thema Olivenöl und seinen Vertrieb verengen würde, halte ich nicht für zukunftsfähig. Die normative Wirkung eines derart verengten Blickes führt schnell zu anderen Effizienskriterien, denen des Handels, die sich dann an der Optimierung des Verkaufs ausrichten und nicht mehr darüber hinaus bis ins Leben reichen würden.

 

  1. Elisabeth Oeff 12.12.2023 at 16:33 #

    Ich bin Teil der Genossenschaft geworden, weil es hier nicht nur um Olivenöl geht, sondern eben 30% der Gewinne an den Klima- und Generationen-Zukunftsfonds geht

  2. Gundula Oertel 27.08.2023 at 18:43 #

    Lieber Conrad,
    besser, ausführlicher und intellektuell redlicher als Du hier in dieser Sache kann man eine Position kaum begründen. Danke dafür! Wenn dennoch zwei von vielen, die Dir freudig zustimmen, für sich zu einem anderen Urteil kommen, dann ist das ihre freie Entscheidung und die muss ich auch nicht plausibel finden, kann sie einfach tolerieren. Menschen, die von dem Genossenschaftsgedanken und – leben, wie Du ihn beschreibst und wie ich mir das als Genossin auch wünsche, offenbar doch weit entfernt sind, werden dann wohl auch wenig in diesem Sinne zur Gemeinschaft beitragen können und wollen. Insofern ist ihr Austritt konsequent. Erpressung ist das aber für mich auch nicht. Schließlich rutscht niemand von uns auf Knien, um sie zurück zu holen, oder ;-) ?

  3. Thomas Langhammer 27.08.2023 at 10:27 #

    In einer Genossenschaft kann und soll jeder seine Meinung zum Ausdruck bringen, jedoch hätte ich mir gewünscht, dass die beiden ausgetretenen Mitglieder einmal das Gespräch mit anderen gesucht hätten.

    So kann man mit ihnen nicht mehr die von Conrad im Nachgang umfangreich dargestellte Begründung vermitteln und sie vielleicht von den positiven Seiten dieser Ausrichtung überzeugen.

    Wer das Gespräch nicht sucht, wird andere nicht von seiner Meinung überzeugen können.
    Austritt war hier der völlig falsche Weg.
    Schade.

  4. Barbara Busch 23.07.2023 at 11:49 #

    Liebe Gemeinschaft,
    ich finde nicht, dass die Genossenschaft sich für ihr Vorgehen rechtfertigen muss, wenn zwei Menschen ihren eigenen Weg gehen möchten, dafür ihre Gründe haben und deretwegen aus der Genossenschaft austreten.
    Es bleiben reichlich Genossenschaftler, die offensichtlich mit den Mehrheitsentscheidungen leben können!
    Herzliche Grüße, Barbara Busch

  5. Heinz Kienzle 09.07.2023 at 11:41 #

    Sehr geehrter Herr Bölicke,

    ganz herzlichen Dank für Ihren ausführlichen Kommentar.
    Auch ich bin der Überzeugung, dass die Ausrichtung der Genossenschaft, nicht nur auf das Themenfeld Olivenöl, richtig ist.

    Nicht verstehen kann ich die Mitglieder, die wegen der Förderung des Schulgartens aus der Genossenschaft ausgetreten sind.
    Eine Gemeinschaft lebt von und mit der Demokratie und deswegen muss man die Meinung der Mehrheit akzeptieren und aushalten, auch wenn diese Meinung einmal von der eigenen Intuition abweicht.

    Ein Austritt hat für mich auch etwas mit „Erpressung“ zu tun: „Wenn meine Meinung nicht die Mehrheit findet, dann gehe ich.“
    Dies ist für mich nicht nachvollziehbar.

    Auch ich bin nicht mit allen Zielen der Genossenschaft einverstanden, aber solange die Ausrichtung insgesamt meinen Vorstellungen entspricht fühle ich mich dort sehr gut aufgehoben.

  6. Peter Arnold 09.07.2023 at 11:00 #

    Sehr gute und zukunftsweisende Sicht! Das macht Mut.

Schreibe einen Kommentar