Aktuelles aus der Genossenschaft zum Weiterbildungs-Jahrestreffen der Oliviers

Zum festen Programm zählt das jährliche Treffen mit allen Oliviers, bei dem wir uns über die aktuellen Herausforderungen verständigen und uns zu damit verbundenen Fachthemen gemeinsam fortbilden. In diesem Jahr hatten wir uns Fachexpert*innen aus Deutschland zur Kreislauf- und Agroforstwirtschaft eingeladen, weshalb das Treffen in diesem Jahr bei uns im Norden im Ringhotel Paulsen in Zeven stattfand.

Eingeladen hatten wir

  • Staatl. gepr. Lebensmittelchemiker Christoph Sippel, vom Hamburger Lebensmittel-Analytikinstitut EUROFINS und Leiter des Hanseatischen Olivenölpanels zu sensorischen Einflüssen auf Olivenöle in Folge der sich verändernden Klimabedingungen.
  • Prof. Dr. Anja Noke für Umweltbiotechnik, Hochschule Bremen – City University of Applied Sciences, zu den Möglichkeiten einer Wertstoffgewinnung aus Reststoffen der Olive, die bei der Olivenölgewinnung in der Olivenmühle anfallen.
  • Harald von Sehlen vom Permakulturpark Steyerberg, der PaLS gGmbH – für das Humuserde-Konzept und Projekt des Agrarwissenschaftlers Dr. Johannes Eisenach in Kalamata auf dem Peloponnes in Griechenland zur verbesserten Wasserspeicherfähigkeit und Steigerung der Fruchtbarkeit des Bodens für eine Resistenz- und Resilienzentwicklung der Olivenhaine im Zeichen des Klimawandels.
  • Dipl.-Ing. agr. Ulrike B. Rapp zur Agroforstwirtschaft, als freiberufliche Beraterin und Projektbegleiterin für viele Jahre in Südamerika tätig.
  • Dipl.-Ing. agr. Walter Danner, Gründer und Unternehmer der Snow Leopard Projects GmbH in Reisbach und Initiator und Förderer der Entwicklungshilfe-NGO „char2cool“ für afrikanische Trockenregionen zur Produktion von Pflanzenkohle als Habitat für Mikroorganismen in der Bodenwelt sowie zur langfristigen CO2-Bindung.

Die Häufung sogenannter Jahrhundertereignisse von extremer Hitze und Trockenheit bestimmen länger schon den Alltag der Oliviers, mit einer auch existenzbedrohenden Abfolge von Missernten. Zu ihrer Abwehr reichen bisherige landwirtschaftliche Korrekturmaßnahmen nicht mehr aus. Grundsätzliche Veränderungen der bisherigen Olivenlandwirtschaft, auch der Bio-Landwirtschaft, werden notwendig sein, damit die Olivenhaine dem Klimawandel trotzen können. Die Veränderungen werden einem Paradigmenwechsel gleichen und damit tief in das bisherige Leben der Oliviers eingreifen, dass sich bisher weitgehend am Vegetationsrhythmus des Olivenbaums orientiert. Eine notwendige allseitige Diversifizierung erfordert erweiterte Qualifikationen für neue Pflanzenkonzepte, für technische Neuerungen und sich verändernder Marktkonzepte. Vor dem Hintergrund den in der Landwirtschaft stark verwurzelten kulturellen Prägungen und Traditionen wird der Mentalitätswechsel die größere Herausforderung sein. Es erwartet uns ein Prozess, vor dem wir schon einmal standen, zu Beginn von arteFakt, als wir uns den „Ölwechsel“ vornahmen.

Über die vielen Jahre haben wir uns dabei mit unserem Erzeuger-Verbraucher-Konzept zu einer Entwicklungsgemeinschaft geformt, was es heute allen leichter macht sich den Neuerungen schneller zu öffnen. Die vor uns liegende Aufgabe die Landwirtschaft mit der Natur und den sich verschärfenden Klimabedingungen für halbwegs sicher planbare Verhältnisse in Einklang zu bringen, dass wird aber eine deutlich schwerere Aufgabe werden, als das Olivenöl neu zu erfinden. Auch die Umstellung auf ökologischen Anbau dauerte jeweils nur drei Jahre bis zu ihrer Zertifizierung, weil es dafür keine grundlegenden Änderungen erforderte. Das wird jetzt anders und wir müssen in Zeiträumen von fünf bis fünfzehn Jahren für erste sichtbare Erfolge denken.

Agroforstwirtschaft und erste Experimente

Bereits auf den beiden letzten Treffen hatten wir uns darauf verständigt uns die Agroforstwirtschaft als Leitfaden für eine Transformation zu wählen. Mit vertiefenden Informationen aus mehreren Blickwinkeln darauf brachten uns bei dem jetzigen Treffen die Referent*innen zunächst alle auf den gleichen Wissensstand, unterlegt mit fachlich- und wissenschaftlichen Erläuterungen. Mit der Vorstellung bereits realisierter Projekte in verschiedenen Regionen und dabei gemachten Erfahrungen gelangten wir dann schnell auf die Ebene der praktischen Fragen. Da alle Referent*innen nicht nur wissenschaftlich arbeiten, sondern auch an derartigen Umsetzungsprojekten auf praktische Weise mitarbeiten, gelangten wir schnell in die Erörterung von notwendigen Planungsschritten und Vorarbeiten die notwendig werden, wenn wir eigene Projekte zum Erproben und Lernen in Angriff nehmen wollen.

Ohne Boden ist alles nichts

Die Ausgangsfrage, wer eigentlich den Boden gedüngt hatte, bevor es uns Menschen gab, führte uns schnell davon weg Lösungen in der Optimierung von Einzelfaktoren zu suchen. Die Agroforstwirtschaft sucht Lösungen im Zusammenführen und im Optimieren synergetischer Beiträge für eine Gemeinschaft und nicht für die effektivste Bedingung von Einzelnen. Es wird dabei jetzt vorrangig um die Verbesserung der Wasserspeicherfähigkeit, der Bodenfruchtbarkeit, der Entwicklung von Bodenlebewesen und von Pilznetzwerken gehen, für eine sich gegenseitig unterstützende Pflanzenvielfalt, die nicht nur verbraucht, sondern selbst auch wieder aufbauen kann.

Mit vielfältigen Experimenten beginnen

Das Treffen endet mit der Verabredung, dass alle Oliviers sich aus dem Bestand ihrer Olivenhaine eine Fläche mit zwölf darauf stehenden Olivenbäumen markieren, auf der sie mit kleinen Maßnahmen die Transformation zur Agroforstwirtschaft erkunden. Sie werden die Ist-Situation auf der Fläche aufnehmen und unsere im letzten Jahr gegründete Agroforst-Fachgruppe, unter Leitung von Michele Librandi, wird dann den Oliviers jeweils individualisierte Empfehlungen für erste Maßnahmen geben.

Darüber werden wir berichten und es wird für die Mitglieder und arteFakt-Freunde möglich sein sich individuell oder von uns organisiert an den Maßnahmen vor Ort zu beteiligen.

Die Weiterbildungstage endeten wie immer mit einem abschließenden gemeinsamen Mittagessen, bevor sich alle zu unterschiedlichen Zeiten wieder auf den Heimweg machten.

Unser Dank gilt den Referent*innen, die uns mit ihren Beiträgen ein gutes Stück vorangebracht und uns ihre weitere Hilfe bei den nun anstehenden Projekten angeboten haben.

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Abschied von Prof. Dr. Martin Bellermann

Wilstedt, den 21. Mai 2024

Guten Tag liebe Mitglieder, arteFakt-Freundinnen und -Freunde,

zwei Tage vor unserer diesjährigen Generalversammlung nehmen wir Abschied von Martin Bellermann, der für uns und mich mehr war als nur ein Mitglied des Aufsichtsrates in unserer Genossenschaft.

Zur Zeit meines Studiums an der TU Berlin, als wir nicht nur politisch rebellierten, sondern auch begannen, Alternativen in und außerhalb der Universität zu erproben, rückten für uns Studierende bei den Auseinandersetzungen um tarifliche Regelungen für Tutoren und studentische Hilfskräfte mit der ÖTV auch Gewerkschaften als Partner in den Blick. Hier lernte ich im Bildungszentrum der ÖTV in Wannsee erstmals Martin kennen, wo er ein gern gesehener Referent bei Bildungsveranstaltungen war. Zu dieser Zeit lehrte und forschte Martin – diplomierter, dann auch promovierter und habilitierter Politologe – als Professor für Sozialpolitik an der Evangelischen Fachhochschule Bochum (EFH).

Er war immer wieder gern in Berlin, wo er an der Freien Universität studiert hatte. Anschließend wirkte er als Lehrer an der Schule für Erwachsenenbildung, und zu Beginn meiner Studienzeit arbeitete er noch als wissenschaftlicher Assistent an der Technischen Universität, bevor er die Professur an die EFH übernahm. Dort widmete er sich forschend und lehrend der sozialwissenschaftlichen Politikforschung. Themen waren unter anderem die Zukunft der Sozialpolitik und ein soziales Europa. Er engagierte sich in der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit der ÖTV (später Verdi) gemäß dem Leitsatz „Mehr Demokratie wagen“. Seine ruhige, stehts vorwärtsgerichtete und ermutigende Art, den Dingen auf den Grund zu gehen und auf ein praktisches gesellschaftliches Handeln hinzuführen, machte ihn zu einem der beliebtesten Lehrenden an der Hochschule. Dies sicher auch, weil er mit seinem Engagement als Dekan und im Akademischen Senat sehr authentisch das verkörperte, was er lehrte.

Erst nach meinem Weggang aus Berlin nach Wilstedt entwickelte sich eine nähere Bekanntschaft und dann auch Freundschaft zwischen uns. Aus unseren Tagen an der Universität hatten wir einen gemeinsamen Freund, der in Berlin in einer viel zu großen Wohnung wohnte. Wir waren beide nicht nur beruflich gern in Berlin und trafen uns daher oft in dieser „Herberge“. Es entspann sich damit eine Zeit schöner und wertvoller Gespräche und des intensiven Gedankenaustausches über die gesellschaftlichen Herausforderungen der Zeit, die ich u.a. mit der Form der Erzeuger-Verbraucher-Gemeinschaft auf praktische Weise aufnehmen wollte. So war Martin einer der frühen Mitgestalter von arteFakt.

Es verband uns aber nicht nur das Gesellschaftspolitische. Martin liebte den mediterranen Süden und hier besonders in Umbrien den Trasimenischen See. Damit waren auch Oliven und die Situation der Oliviers oft ein Thema unserer Gespräche.

Als ich dann für den anstehenden Generationenwechsel bei arteFakt ein stimmiges und tragfähiges Modell für die Unternehmensform suchte – um damit das grundlegende Konzept von arteFakt „zukunftsfähig“ zu machen, war Martin dann erneut ein wichtiger Impulsgeber und Förderer der Genossenschaftsidee. Als langjährigem Gewerkschaftsmitglied lag mir diese Organisationsform nicht fern. Ich wollte bei der inhaltlichen Ausgestaltung, dass das bisherige gemeinschaftlich-kulturelle und soziale Engagement auch die Genossenschaft formen sollte, dies nicht zuletzt mit dem Gedanken an die Arbeitnehmer*innen. Mich hat es sehr gefreut, dass Martin dann den Schritt zur Gründung der Genossenschaft und in den Aufsichtsrat mitgegangen ist.

Wir sind traurig, dass er nun von uns gegangen ist. Wie gern hätten wir ihn noch lange bei uns gehabt. Er wird, nicht nur in Gedanken, sondern auch mit seinen Spuren, die sich heute in der Satzung der Genossenschaft finden, bei uns bleiben.

Danke für die Freundschaft auf dem gemeinsamen Weg.

Unser Mitgefühlt gilt seiner Ehefrau Eva Bär-Bellermann und seinen Kindern Urs, Felix, Johannes und ihren Familien.

Mit traurigen Grüßen
Euer
Conrad Bölicke

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Mitgliederrundbrief vom 31. Dezember 2023

Wilstedt, 31. Dezember 2023

Guten Tag liebe Mitglieder,

nach den sicher vielfachen kulinarischen Weihnachtsgenüssen wünschen wir allen noch entspannte Tage bis zum Jahreswechsel und dann einen erfreulichen Start in das neue Jahr mit besten Wünschen für die Gesundheit.

Bereits am 31.Oktober endete das Geschäftsjahr unserer Genossenschaft, mit dem wir uns, abweichend vom Kalenderjahr, an den Ernterhythmus der Olive anpassen. Die Inventur ist beendet, und bei einem ersten Überblick werden wir nach dem Verlust im letzten Jahr das Geschäftsjahr wieder mit einem wenn auch kleinen positiven Betriebsergebnis abschließen. In dem schwierigen Umfeld der anhaltenden multiplen Krisen mit der allgemein spürbaren Kaufzurückhaltung war das kein leichtes Unterfangen. Das vor uns liegende Geschäftsjahr 2023/24 wird uns nicht weniger stark herausfordern und in manchen Belangen vor neue Situationen stellen, die auch neue Antworten erfordern.

Nach den erntestarken Jahren 2020/21 mit einer europäischen Gesamtproduktion von 2,1 und 2021/22 mit 2,3 Millionen Tonnen Olivenöl, sank sie 2022/23 auf nur noch 1,4 Millionen Tonnen. Mit Überhängen aus dem Vorjahr konnte das geringe Angebot die Nachfrage noch ausgleichen. Die Ernte 2023/24 fiel nun mit 1,3 Millionen Tonnen erneut niedriger aus als sie die bisher übliche Nachfrage decken kann. (Alle Daten sind der Eurostat-Statistik entnommen.) So haben wir erstmals die allgemeine Marktsituation, dass eine Missernte nicht durch Überhangmengen aus dem Vorjahr ausgeglichen werden kann und die Nachfrage das Angebot in größerem Umfang übersteigt.

Länger ist es schon zu beobachten, dass Olivenöle aus den wöchentlichen Werbeprospekten der Discounter verschwunden sind und ein kontinuierlicher Anstieg der Preise für Olivenöl in den Supermärkten und Discountern festzustellen ist. Verbraucher und Verbraucherinnen werden damit schrittweise an zu erwartende hohe Preise für die kommende Saison herangeführt. Kostete bei Discountern im Frühjahr eine 0,75l Flasche Olivenöl noch 4,39 Euro, steht sie aus der gleichen Ernte 2022/23 in gleicher no name-Qualität aus EU-Anbauländern bereits bei fast 10,00 Euro im Regal. Trotz der gleich gebliebenen Einkaufspreise der letzten Ernte ergeben sich dadurch höhere Gewinnmargen, die gerne mitgenommen werden. Auch in den Rezeptempfehlungen der Werbeschriften des Handels kommt Olivenöl nur noch selten vor, stattdessen werden Raps- und Sonnenblumenöl empfohlen, die als raffinierte Speiseöle nun zu den früheren Preisen für Native Olivenöle Extra angeboten werden, womit sich auch ihr Preis mehr als verdoppelt hat.

 

Was ist passiert?

Auch in unseren Breiten führte der Klimawandel in diesem Jahr zu größeren Verlusten der Landwirte. Was sich in mediterranen Regionen schon länger abzeichnet, überzog in diesem Jahr viele Regionen auf der Welt und in ganz Europa, oft in extremer Ausprägung. Zur „falschen Zeit gab es immer das falsche Wetter“. Im Juli konnte wegen häufigen Regens bei uns in Norddeutschland die Weizenernte nicht begonnen werden, die Körner verloren mit jedem Regentag an Qualität, so dass das Korn zum Schluss nicht mehr als Brotgetreide, sondern nur noch für die Biogasanlage taugte. Und auch Kartoffeln verfaulten vielfach in zu nasser Erde. Zur Blütezeit der Olivenbäume im Frühjahr war es in manchen Regionen mit Temperaturen von bis zu 40°C zu trocken und zu heiß, so dass viele Blüten vertrockneten. Im Anschluss daran folgte wochenlanger Regen, so dass noch erhalten gebliebene Blüten verfaulten und sich keine Fruchtansätze bildeten. Allein in Andalusien führt das zu einem Ernteausfall von in etwa 40% im Vergleich zum 5-Jahres-Durchschnitt (Quelle: Olive Oil Production Forecast der ESAO – Escuela Superior del Aceite de Oliva). Da Spanien fast 45% des weltweiten Anteils an Olivenöl produziert, hat allein dieser Verlust schon erhebliche Auswirkungen auf das Marktgeschehen. Abgesehen von einigen klimatischen Nischen erfassten die fatalen Wetteranomalien alle mediterranen Regionen. Ein Beispiel: Im September fegte ein Hagelsturm mit faustgroßen Eisklumpen durch das mittlere Apulien, beschädigte sehr viele Oliven und dezimierte eine bis dahin hoffnungsvolle Ernte stark. Unsere Oliviers von der Cooperative Emanuel De Deo aus Minervino und Giuseppe Lombardi aus Andria im nördlichen Apulien hatten Glück, ihre Haine blieben davon verschont.

Aber auch wer sich, wie auch Gunther & Klaus Di Giovanna auf Sizilien, noch auf erträgliche Mengen von Oliven an seinen Bäumen gefreut hatte, schaute in der Olivenmühle dann auf nur geringe Mengen Olivenöl, die aus dem Separator flossen. Langanhaltende Trockenheit, die wie auf Sizilien über vier Monate andauerte, hatten die Oliven „nicht gefüllt“. Als Besonderheit unter Früchten bildet die Olive aus dem Fruchtzucker, der sich wie in jeder Pflanze über die Fotosynthese in den Pflanzen- oder Fruchtzellen bildet, eine einfach ungesättigte Fettsäure – das Olivenöl – aus, als eine besonders stabile Form der Energiereserve. Die Pflanze oder Frucht benötigt für die Zuckerbildung Licht, CO2, Chlorophyll und Wasser. Dort, wo der sonst ab September wiedereinsetzende Regen ausblieb, bildete sich daher nur wenig Fruchtzucker und in der Folge auch nur wenig Olivenöl.

 

Was kommt auf uns zu?

Die ökologischen und klimatischen Herausforderungen
Witterungsbedingte Missernten gab es immer mal wieder. Sie blieben zumeist aber regional begrenzt, so dass wir mit solidarischen Unterstützungen wie dem OlioSoli den Betroffenen helfen und fehlende Mengen über andere Oliviers ausgleichen konnten. Ungünstige Klimatische Einflüsse mit außerordentlichen Folgen für die Ernte haben sich in den letzten Jahren aber in immer schnelleren Folgen gehäuft.

Für Dimitrios Sinanos (Olivenöl No.23) fällt die Bilanz der letzten sechs Jahre mit zwei sehr guten, zwei knapp mittelmäßigen und zwei Totalausfällen der Ernte besonders bitter aus. Auch in diesem Jahr hängen in der ganzen Region Korinth wieder nahezu keine Oliven an den Bäumen. Dimitrios wird nun versuchen, mit anderer Arbeit Geld zu verdienen, um seine sechsköpfige Familie zu ernähren. Erspartes wird noch reichen, um die landwirtschaftlichen Kosten zur Vorbereitung der nächsten Ernte zu bezahlen. Wenn diese dann nicht erfolgreich wird, stellt sich für ihn die Existenzfrage als Olivenlandwirt. Aktuell steht er mit seiner Situation stellvertretend für sehr viele der kleineren und mittelgroßen Olivenlandwirte in allen mediterranen Regionen.

Auch Ioannis Fronimakis hat zusammen mit seiner Nichte Maria und seinem Neffen Niko einen nahezu totalen Ausfall der Ernte zu beklagen. Hier kam zu den heißen und trockenen Tagen zur Blütezeit im Frühling ein weiterer Verlust durch unzeitig frühen Regen im Sommer dazu, der die Populationen der Olivenfliegen zu früh entstehen ließ. Das wenige Olivenöl, das aus den nun vielfach von Larven beschädigten Oliven gewonnen werden konnte ergab mit hohen Säuregradwerten nur Lampant-Olivenöl, eine Qualität, die ohne vorherige Raffination nicht zum Verzehr geeignet ist.

Allein die Umstellung auf kontrolliert biologischen Anbau reicht nicht mehr aus
Mit der Umstellung auf kontrolliert ökologischen Anbau haben wir von Anbeginn die Olivers unterstützt, damit sie ihre intensive Landwirtschaft stärker in den Einklang mit der Natur bringen können. Angesichts der wachsenden Geschwindigkeit des Klimawandels diskutieren wir schon länger noch tiefgreifendere Maßnahmen. Mit der Bildung einer Fachgruppe zu Methoden der Agroforstwirtschaft suchen wir neue Wege für eine Transformation des Olivenanbaus, um insbesondere die Widerstandskraft der Böden mit größerer Fähigkeit zur Wasserspeicherung gegen die Folgen des Klimawandels zu stärken. In den Herbst-Auskünften hatten wir über die Fortschritte dazu berichtet. Allein die Klimasituation in diesem Jahr wird uns mit ihren Folgen „kaum Luft zum Atmen geben“, auch weil die Klimaforscher für das kommende Jahr keine Besserung prognostizieren.

Die preislichen Herausforderungen
Mit den klimabedingten Ernteausfällen und der vielfachen Ertragsschwäche der verbliebenen Oliven wird die weltweite Nachfrage für das kommende Jahr nur noch zu ca. 60% gedeckt werden. Wie eingangs ausgeführt, hat es das in diesem Umfang bisher noch nicht gegeben. Damit stehen wir vor einem hochspekulativen Markt, in dem die Tonne Olivenöl durchschnittlich 61% teurer gehandelt wird und der Verbraucher bereits jetzt 43,5% mehr bezahlen muss als im Vorjahresmonat, obwohl das Olivenöl der aktuellen Ernte nur vereinzelt auf den Markt gekommen ist (Statistisches Bundesamt). In den mediterranen Ländern ist Olivenöl nicht ein, sondern das Grundnahrungsmittel. Ein relevanter Teil der Bevölkerung wird sich Olivenöl zu diesen Preisen gar nicht mehr leisten können. So berichten unsere Oliviers aus ihren Regionen, dass sich derzeit private Haushalte mit dem Kauf von 20 Liter-Kanistern Olivenöl noch aus den Angeboten der Ernte 2022/23 die Keller voll stellen.

Auch unsere Erzeugerpartner und -partnerinnen sind von Ausfällen betroffen und auch bei guter Ernte können sie sich nicht vollständig der Marktdynamik entziehen. Mit den Abwehrmaßnahmen gegen die Klimafolgen haben sich ihre landwirtschaftlichen Kosten in diesem Jahr überproportional erhöht. So suchte Jose Gálvez (Olivenöl No.13) recht erfolgreich die Blüten und Fruchtansätze durch Bewässerung bei der Hitze und Trockenheit zur Blütezeit zu retten. Allerdings stiegen damit seine Wasserkosten um 30% und Wasser ist in den mediterranen Ländern schon lange kein billiges Gut mehr.

In all diesen Auswirkungen werden auch wir von den größeren Preiserhöhungen nicht unberührt bleiben, wenngleich unser Konzept der solidarischen Landwirtschaft mit langen Partnerschaftsbeziehungen uns dabei Spielräume ermöglichen wird, die andere nicht haben.

Kurz- und langfristige Aktivitäten und Maßnahmen werden gleichermaßen dringlicher

Mit der jetzt eingetretenen Situation wird die bereits länger schon eingeleitete größere Dynamik der Klimaveränderungen nun unübersehbar. Die vor uns liegende Zuspitzung wird nach einem Jahr nicht verschwunden sein, auch wenn die Ernte dann vielleicht wieder besser ausfällt. Die darunter liegenden, klimabedingten Strukturprobleme werden auf hohem Niveau weiterwirken und großen Einfluss auf die Ökonomie behalten. Mit unserem Konzept der Erzeuger-Verbraucher-Gemeinschaft und der solidarischen Landwirtschaft konnten wir Ernteausfälle und vereinzelte Krisen bisher noch gut mit dem OlioSoli abfedern. Aber der Geschwindigkeit wegen, mit der sich Krisenzuspitzungen häufen werden – womit wir in dieser Form nicht rechnen konnten –, werden wir unsere Bemühungen weiter ergänzen und konzeptionell erweitern müssen. Das wird leider nicht alles so schnell gehen, wie wir uns das gerne wünschen. Vieles von dem, was wir begonnen haben – wie Agroforstwirtschaft und Kreislaufwirtschafts-Olivenmühle –, befindet sich noch im Stadium der Forschung und Entwicklung, des Experiments, der Erprobung und muss in langen Zeiträumen gedacht werden. Wie erfolgreich die Veränderungen sein werden und welchen nachhaltigen Einfluss sie auf die Natur und das Klima nehmen können, zeigt sich frühestens nach fünf bis fünfzehn Jahren.

Die Herausforderung der kommenden Olivenölkampagne wird daher eine doppelte sein: zum einen an diesen Projekten festzuhalten und sie schneller voranzubringen, zum anderen mit einem Bündel von ökonomisch wirksamen, kleinteiligen und solidarischen Maßnahmen die notwendigen Preiserhöhungen in einem Rahmen zu halten, der es allen ermöglicht, weiterhin genießerische Freunde des Olivenöls zu bleiben.

Erste Ansätze

· Mit der Erweiterung des Ein-Euro-Museumstalers zum Ein-Euro-Klimataler stärken wir die ökonomische Basis für landwirtschaftliche Transformationsprojekte, die wir zunächst auf den arteFakt Museums- und Patenschafts-Olivenhainen in Apulien und auf Kreta als Pilotstudien durchführen. Bei jeder Bestellung kann das hier gern mit nur einem Euro als Spende unterstützt werden.

· Mit der Einrichtung des Social-Partnership-Fonds zur Gewährung des Kaufs eines Jahresvorrates auf Raten für jene, deren monatliches Budget die Reserve dafür nicht hergibt, stärken wir den gemeinschaftlichen Zusammenhalt auch der Konsumenten und Konsumentinnen untereinander. Zum Füllen des Fonds haben bereits fast einhundert arteFakt-Freunde ein zinsfreies Kleindarlehen von ein- bis zweihundert Euro für ein Jahr zugesagt und weitere Geber*innen sind herzlich willkommen.

· Dimitrios Sinanos würden wir gern behilflich sein hier in Deutschland eine vorübergehende Arbeit zur ökonomischen Kompensation seines Ernteausfalls zu finden. Dimitrios spricht passabel englisch, ist ein landwirtschaftlich und maschinentechnisches Multitalent mit unternehmerischen Selbstorganisationsfähigkeiten. In Griechenland würde er damit spielend einen Aushilfsjob finden, allerdings nur mit max. 1.000 Euro im Monat bezahlt, was seine finanzielle Notlage nicht löst. Die erneute Einrichtung eines OlioSoli lehnt Dimitrios ab. Seine Bilanz der letzten sechs Jahre, mit zwei guten, zwei mittelguten Ernten und zwei Totalausfällen und jetzt wieder einem Totalausfall, lassen ihn grundsätzlicher über seine Zukunft als Olivier nachdenken. Dimitrios will seine und die Existenz seiner Familie nicht auf Spenden gründen müssen, „ich kann arbeiten“ sagt er „und mir damit die nötigte Zeit verschaffen Wege zu suchen, wie es weitergehen kann“.

· Auch für Ioannis, Maria und Niko Fronimakis fällt mit dem Ernteausfall ein Jahreseinkommen weg. Mit der Entwicklung einer Aprikosen-Konfitüre, als Reaktion auf den ersten Ernteausfall von Dimitrios, konnten wir 2014 etwas Abhilfe für ihn verschaffen. Eine ähnliche Idee kam uns bei unserem kürzlichen Besuch bei der Familie Fronimakis. Der klimabedingt immer frühere Reifungsprozess der Oliven lässt uns länger schon das beliebte native Wildfenchel-Olivenöl nicht mehr herstellen. Die jungen Farne des Wildfenchels beginnen erst mit dem Regen im Januar aus dem Boden zu sprießen, dann wenn es jetzt keine Oliven mehr gibt. Was könnte mit dem aromatisch sehr feinen Wildfenchel stattdessen hergestellt werden, das war unsere Frage. Beim Abendessen ergab sich eine Idee, als der auf Kreta beliebte Rote Beete-Salat mit Feta auf den Tisch kam. Ihn zu einem Paté mit Wildfenchel zu verarbeiten könnte ein ebenso leckeres Ersatzprodukt wie die Aprikosen-Konfitüre werden. Wir warten noch auf die ersten Wildfenchelfarne Anfang Januar und dann kann es losgehen.
Wer Dimitrios Sinanos und der Familie Fronimakis bei ihren Vorhaben behilflich sein möchte und kann, wende sich unter der Rufnummer 0172.4241136 oder per Email: c.boelicke@arteFakt.eu an uns.

 

Der Rutsch ins neue Jahr wird nicht für alle ein leichter werden, lassen Sie uns gemeinsam daran mitwirken, dass es aber auch für sie ein gutes werden wird. Im Januar werden wir hierzu weitere Vorschläge zur Diskussion stellen. Ein Glas ist halb leer oder halbvoll, so bringen schwierige Zeiten immer auch etwas Spannendes mit sich, weil Neues gedacht und gemacht werden kann. In diesem Sinne wünsche wir uns eine kreative, mutige und mutmachende Debatte über Lösungsideen und -beiträge dazu in den nächsten Monaten bis zum Beginn der 26. Olivenölkampagne im März 2024.

Mit freundlichen und genossenschaftlichen Grüßen

Ihr
arteFakt Vorstand

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