Abschied von Prof. Dr. Martin Bellermann

Wilstedt, den 21. Mai 2024

Guten Tag liebe Mitglieder, arteFakt-Freundinnen und -Freunde,

zwei Tage vor unserer diesjährigen Generalversammlung nehmen wir Abschied von Martin Bellermann, der für uns und mich mehr war als nur ein Mitglied des Aufsichtsrates in unserer Genossenschaft.

Zur Zeit meines Studiums an der TU Berlin, als wir nicht nur politisch rebellierten, sondern auch begannen, Alternativen in und außerhalb der Universität zu erproben, rückten für uns Studierende bei den Auseinandersetzungen um tarifliche Regelungen für Tutoren und studentische Hilfskräfte mit der ÖTV auch Gewerkschaften als Partner in den Blick. Hier lernte ich im Bildungszentrum der ÖTV in Wannsee erstmals Martin kennen, wo er ein gern gesehener Referent bei Bildungsveranstaltungen war. Zu dieser Zeit lehrte und forschte Martin – diplomierter, dann auch promovierter und habilitierter Politologe – als Professor für Sozialpolitik an der Evangelischen Fachhochschule Bochum (EFH).

Er war immer wieder gern in Berlin, wo er an der Freien Universität studiert hatte. Anschließend wirkte er als Lehrer an der Schule für Erwachsenenbildung, und zu Beginn meiner Studienzeit arbeitete er noch als wissenschaftlicher Assistent an der Technischen Universität, bevor er die Professur an die EFH übernahm. Dort widmete er sich forschend und lehrend der sozialwissenschaftlichen Politikforschung. Themen waren unter anderem die Zukunft der Sozialpolitik und ein soziales Europa. Er engagierte sich in der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit der ÖTV (später Verdi) gemäß dem Leitsatz „Mehr Demokratie wagen“. Seine ruhige, stehts vorwärtsgerichtete und ermutigende Art, den Dingen auf den Grund zu gehen und auf ein praktisches gesellschaftliches Handeln hinzuführen, machte ihn zu einem der beliebtesten Lehrenden an der Hochschule. Dies sicher auch, weil er mit seinem Engagement als Dekan und im Akademischen Senat sehr authentisch das verkörperte, was er lehrte.

Erst nach meinem Weggang aus Berlin nach Wilstedt entwickelte sich eine nähere Bekanntschaft und dann auch Freundschaft zwischen uns. Aus unseren Tagen an der Universität hatten wir einen gemeinsamen Freund, der in Berlin in einer viel zu großen Wohnung wohnte. Wir waren beide nicht nur beruflich gern in Berlin und trafen uns daher oft in dieser „Herberge“. Es entspann sich damit eine Zeit schöner und wertvoller Gespräche und des intensiven Gedankenaustausches über die gesellschaftlichen Herausforderungen der Zeit, die ich u.a. mit der Form der Erzeuger-Verbraucher-Gemeinschaft auf praktische Weise aufnehmen wollte. So war Martin einer der frühen Mitgestalter von arteFakt.

Es verband uns aber nicht nur das Gesellschaftspolitische. Martin liebte den mediterranen Süden und hier besonders in Umbrien den Trasimenischen See. Damit waren auch Oliven und die Situation der Oliviers oft ein Thema unserer Gespräche.

Als ich dann für den anstehenden Generationenwechsel bei arteFakt ein stimmiges und tragfähiges Modell für die Unternehmensform suchte – um damit das grundlegende Konzept von arteFakt „zukunftsfähig“ zu machen, war Martin dann erneut ein wichtiger Impulsgeber und Förderer der Genossenschaftsidee. Als langjährigem Gewerkschaftsmitglied lag mir diese Organisationsform nicht fern. Ich wollte bei der inhaltlichen Ausgestaltung, dass das bisherige gemeinschaftlich-kulturelle und soziale Engagement auch die Genossenschaft formen sollte, dies nicht zuletzt mit dem Gedanken an die Arbeitnehmer*innen. Mich hat es sehr gefreut, dass Martin dann den Schritt zur Gründung der Genossenschaft und in den Aufsichtsrat mitgegangen ist.

Wir sind traurig, dass er nun von uns gegangen ist. Wie gern hätten wir ihn noch lange bei uns gehabt. Er wird, nicht nur in Gedanken, sondern auch mit seinen Spuren, die sich heute in der Satzung der Genossenschaft finden, bei uns bleiben.

Danke für die Freundschaft auf dem gemeinsamen Weg.

Unser Mitgefühlt gilt seiner Ehefrau Eva Bär-Bellermann und seinen Kindern Urs, Felix, Johannes und ihren Familien.

Mit traurigen Grüßen
Euer
Conrad Bölicke

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